Das,
was wir als Gruppe erreichen möchten, ist
bereits eingangs auf der Homepage erwähnt: wir
möchten an Anlässen den Besuchern und
Gästen das Mittelalter näher bringen - und
zwar durch das Ausstellen verschiedener
Gegenstände, das Tragen von Gewändern, das
Kochen mittelalterlicher Speisen und durch das
Gespräch. Auf
den ersten Blick einfacher sieht die Rekonstruktion
von Gegenständen aus dem mittelalterlichen
Alltag aus. Funde oder Abbildungen dienen als
Vorbilder für die entsprechenden Objekte, die
dann aus damals bekannten Materialien hergestellt
werden. Aber betrachten wir dies etwas genauer am
Beispiel eines mittelalterlichen
Kleidungsstückes, einer Cotte. In einer
historischen Handschrift finde ich die Abbildung
einer Cotte, die ich gerne rekonstruieren
möchte. Zunächst erstelle ich aufgrund des
Bildes ein Schnittmuster. Dann wähle ich das
Material aus und entscheide mich für Leinen.
Dieses muss von Hand gesponnen, von Hand gewebt und
mit den damaligen Mitteln gefärbt werden. Als
Besatz brauche ich Eichhörnchenfell (was um
1200 üblich war) oder echte Goldfäden, aus
denen die Borte gewebt werden kann. Das Fell sollte
vegetabil und von Hand gegerbt, die Goldfäden
von Hand gezogen sein. Das Zusammennähen
geschieht von Hand mit Hornnadeln und
handgesponnenem Faden, wobei nur die Nähstiche
zu verwenden sind, die durch archäologischen
Funde belegt sind. So erhalte ich eine authentische
Cotte. Dass die Herstellungsprozesse in der Praxis allerdings bei vielen Gegenständen vereinfacht, abgeändert und modernisiert werden müssen, liegt auf der Hand. Einige Materialien sind schlichtweg nicht (mehr) zu bekommen. So dürfen Eichhörnchen beispielsweise nicht bejagt werden, gewisse Substanzen (zum Beispiel zum Färben) gelten heute als giftig und sind nicht erhältlich. Die handwerklichen Fähigkeiten können begrenzt sein ebenso wie die finanziellen Mittel, was wiederum nahelegt, dass bei jedem Reenactor die Grenze wohl unterschiedlich weit gesteckt ist. So oder so halte ich es für wichtig, über die genauen Herstellungsprozesse Bescheid zu wissen und das eine oder andere auch selbst gemacht zu haben. Denn nur so erlebt man die Mühsal einiger dazu notwendigen Arbeiten und bekommt auch eine Ahnung vom Wert der Dinge. Was es heisst, einen gebrochenen Hammerstiel neu zu schnitzen oder ein paar Nägel zu schmieden. Der Reichtum, damals wie heute, beginnt mit solchen Kleinigkeiten. Alle diese Überlegungen führen für mich zum Schluss, dass es nur schwer möglich aber auch nicht nötig ist, für die Darstellung mittelalterlicher Gegenstände ausschliesslich historisch korrektes Material und eine historisch korrekte Machart zu verwenden. Die Endprodukte sollen historisch korrekt aussehen und ich möchte darüber Auskunft geben können, wie diese seinerzeit hergestellt wurden und warum ich es bei der Rekonstruktion anders gemacht habe. Uns geht es darum, den Besuchern einen Eindruck vom Mittelalter mit nach Hause zu geben. Dem interessierten Besucher an Hand einzelner Gegenstände wie Kleidung, Geschirr oder Waffen fundierte Sachverhalte aus dieser Zeit zu vermitteln. Wenn wir nun z.B. ein Schwert (unpassenderweise) aus dem 15. Jh. dabei haben, können wir die Entwicklung der Schwerter aufzeigen. An Grenzen stosse ich auch, wenn ich versuche, in eine Rolle zu schlüpfen und eine Person aus dem Mittelalter „nachstellen“ möchte. Die meisten Darsteller bevorzugen hier Adlige oder Soldaten, obwohl der grösste Teil der damaligen Bevölkerung aus einfachen Menschen, Bauern und Handwerkern bestand. Nun, als Adliger müsste ich einen grossen Tross mit Wagen und Pferden dabei haben und Bedienstete für jegliche Arbeit, die zu verrichten wäre. Den Umgang mit diesen hat man sich wohl wenig freundschaftlich vorzustellen. Selbst ohne Tross müsste ich als Adliger eine Schar bewaffneter Soldaten dabei haben und würde unterwegs in einem Gasthaus oder einer Burg übernachten. Nach der Erkenntnis, dass die authentische Darstellung eines Adligen den Rahmen sprengen würde, frage ich mich, ob nicht ein Bauer einfacher darzustellen wäre. Doch würde der nicht den ganzen Tag auf dem Feld oder im Stall arbeiten? Am ehesten könnte man wohl den Gemüseverkauf auf einem Markt darstellen – jedenfalls bedeutend einfacher als das Pflügen mit einem Ochsen... Wenn man sich umhört, so scheinen in den Köpfen der Leute vor allem zwei sehr unterschiedliche Bilder des Mittelalters zu existieren. Die einen assoziieren diese Zeit mit viel Glanz und Burgenromantik, bunten Turnieren und edlem Rittertum, die anderen vor allem mit Schmutz, Düsternis, Höllenangst und Grausamkeit. Beide Bilder basieren auf Einseitigkeit, ersteres durch die Dichter und Maler der Romantik beschworen, letzeres durch die Philosophen der Aufklärung zementiert. Die Wahrheit mag wohl wie so oft irgendwo dazwischen liegen. Ganz bestimmt war der Mensch des Mittelalters in ungleich höherem Masse konfrontiert mit Krankheit, Seuchen, Schmutz, Kindersterblichkeit, Krieg Armut und Hunger. Daneben mag es aber auch fröhliche Feste und glückliche Momente gegeben haben. In für uns heute nicht mehr nachvollziehbarer Gewissheit fühlte sich der Mensch damals als Teil von Gottes Schöpfung und in dessen Hand geborgen. Der Tod war Bestandteil des Lebens und es gab keinerlei Zweifel daran, dass er nicht das Ende sondern ein Übergang war. Wenn wir als Gruppe ins Mittelalter „reisen“, so tun wir das aus einer historischen Motivation heraus. Wir möchten den Besuchern ein möglichst genaues Bild der von uns dargestellten Zeit geben, wir möchten mit Spass bei der Sache sein und wir möchte dies auch mit Respekt vor den Menschen, die damals lebten und oft ein hartes Dasein führten, tun. |