Sachkultur um 1200 Brillen
Die
Bezeichnung „Brille“ leitet sich vom spätmittelhochdeutschen Wort berille
ab. Dieses wiederum wird zurückgeführt auf das Mineral Beryll.
Man bediente sich um 1300 Linsen aus geschliffenen Halbedelsteinen,
meist Berylle genannte Bergkristalle.
Albrecht von Scharfenberg verlieh dem „berillus“ im Jüngeren Titurel eine erhöhte symbolische Bedeutung. In der um 1270 entstandenen ausgedehnten Gralsdichtung ist „Parille“ der Name für einen der Söhne von Senabor. Bei der Aufzählung der „kinde und kindes kint“ vom Stamm „Kapadoze“ wird der Name erwähnt: „Ein sin sun Parille hiez er nach dem steine, / durch daz der ougen wille da mit erget. er machet groz uz kleine. / uz cleinen tugenden machte er di grozen.“Durch die Wahl des Namens wird der Lebensweg des „Parille“ verdeutlicht und seine Entwicklung aufgezeigt. Diese Strophe stellt das älteste Denkmal im deutschen Sprachraum dar, in dem die Brille (hier noch als Lesestein aus Bergkristall) genannt wird. Viele Strophen später greift Albrecht den Vergleich erneut auf: „Sam der berillus grozet di schrift in im ze lesene, din herze dem genozet, dar inne alle tugende mit wesene wahsent hoch, breit, wit und ouch di lenge.“Das Herz ist also klar und rein wie ein „berillus“ und hat die Eigenschaft, die Tugenden wachsen zu lassen. Neue Ansätze lieferte das Buch Schatz der Optik des arabischen Mathematikers, Astronomen und Optikers Alhazen († ca. 1040), nachdem es um 1240 ins Lateinische übersetzt und in Klosterbibliotheken verfügbar wurde. Alhazen beschrieb die vergrößernde Wirkung eines Glaskugelsegments, des späteren „Lesesteins“, ohne jedoch seine Erkenntnis praktisch zu nutzen. Die Untersuchungen des Arabers, die handwerklichen Fertigkeiten schreibender Mönche und der rapide anwachsende Gebrauch der Schrift im städtischen Bereich kamen zusammen. Wohl in einem Kloster wurde der erste Lesestein aus Bergkristall geschliffen. Um die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts folgten Leseglas und Brille. Neben dem Schatz der Optik zeigte eine Bemerkung aus Die goldene Schmiede des mittelhochdeutschen Dichters Konrad von Würzburg (* 1220/1230 in Würzburg, † 1287 in Basel) eine mögliche Entwicklungsrichtung: „Er [der Kristall] hat in sich die große und gewaltige Art, […] sofern ihn jemand dünn schliffe und auf die Schrift halten wollte, der sähe durch ihn die kleinen Buchstaben größer scheinen.“ Quellen:
HomeWilhelm Grimm (Hrsg.): Konrads von Würzburg Goldene Schmiede, Berlin 1840, S. 54 |